Auch wenn die Kleinigkeit von 1.900 Meilen zwischen dem kalifornischen Milpitas und der texanischen Metropole Houston liegt, fand die Tischtennis-WM (2021 World Table Tennis Championships Finals) – mit etwas Fantasie – gewissermaßen in seinem Wohnzimmer statt. Die Rede ist von Kanak Jha, mit 21 Jahren drittjüngster Bundesligaprofi der TTF Liebherr Ochsenhausen.
Kanak Jha verpasst Einzel-Medaille nur knapp
Beim Weltturnier, das nicht wirklich überraschend in der Nacht zum Dienstag mit dem Sieg des chinesischen Weltranglisten-Ersten Fan Zhendong endete, war Jha als einziger Weltklasse-Amerikaner natürlich der Star und stand permanent im Fokus der Medien und der Fans. Von beinahe jeder Plakatwand grüßte sein Konterfei alle Tischtennis-Interessierten aus den Staaten und der ganzen Welt. Keine leichte Hypothek für einen so jungen Spieler bei der hohen Erwartungshaltung des Umfelds.
Doch der Ochsenhauser, der in seiner zweiten Saison im TTF-Dress den Durchbruch geschafft hat und mit 10:2 aktuell die beste Bilanz im Team aufweist, kam mit der Herausforderung gut zurecht und stieß ins Viertelfinale vor. Und auch da wäre beim 2:4 gegen Dauerbrenner Timo Boll mehr drin gewesen, wenn Jha noch einen Tick abgebrühter agiert hätte. Er stand dicht vor einem Medaillengewinn im Herren-Einzel, was natürlich aus seiner Perspektive DER Hit gewesen wäre. Doch er dürfte noch viele Chancen in seiner Karriere erhalten, bei Weltmeisterschaften zu Edelmetall zu kommen, so gesehen ist alles im grünen Bereich.
Gleich zum Auftakt hatte Ochsenhausens US-Boy eine diffizile Aufgabe zu lösen. Gegen den Bronzemedaillengewinner der Einzel-WM 2019 in Ungarn, den Südkoreaner An Jaehyun, musste er einen Siebensatz-Krimi siegreich überstehen, war dann aber richtig „drin“ im Turnier. Mit 4:0 fertigte er den Kroaten Andrej Gacina, ehemaliger Spitzenspieler des TTF-Ligarivalen Grenzau, ab, während er sich beim 4:2 über den Belgier Martin Allegro in der Runde der besten 32 etwas mehr quälte. Es folgte das Achtelfinal-Match gegen Fuldas Defensivspezialisten Ruwen Filus, bei dem der Deutsche letztlich keine echte Chance hatte und mit 1:4 unterlag. Und danach das denkwürdige, spannende Viertelfinale gegen Boll, in dem Kanak Jha nach einem 1:3-Satzrückstand nochmals zurück ins Match fand, doch den sechsten Durchgang verlor und seine Medaillenhoffnungen begraben musste.
Insgesamt aber waren es ohne Frage starke Auftritte des 21-Jährigen in Houston, die Lust auf mehr gemacht haben. Zur Belohnung ging es in der neuesten Weltrangliste auch drei Plätze nach oben, in der Jha nun als Nummer 28 geführt ist.
Gut aber nicht überragend: Mixed mit der späteren Weltmeisterin
Im Mixed hatte sich der TTF-Profi an der Seite der späteren Einzelweltmeisterin Wang Manyu insgeheim schon eine Medaille erhofft, doch das spektakuläre, für die Fans außerordentlich interessante Gespann der amerikanisch-chinesischen „Ping-Pong-Diplomatie“ scheiterte nach zwei klaren Erfolgen gegen osteuropäische Formationen etwas überraschend und sehr knapp im Achtelfinale an den Indern Sathiyan Gnanasekaran/Manika Batra.
Kanak Jha äußerte sich zu dem spektakulären Mixed. „Eine ganz eigene Angelegenheit war das Mixed Doppel mit Wang Manyu. Aber es war schwer für uns, den wir hatten ja noch nie zusammen gespielt und mussten gegen Formationen an den Tisch, die schon jahrelang miteinander gespielt hatten und dementsprechend gut harmonierten“, sagte der Ochsenhauser. „Es war aber in jedem Fall eine Ehre für mich, gemeinsam mit einer der besten Spielerinnen der Welt anzutreten, von der ich einiges lernen konnte.“
„Eine ganz spezielle Erfahrung für mich“ – Kanak Jha lässt die WM Revue passieren
Doch wir haben mit dem jungen Amerikaner natürlich über das gesamte WM-Turnier gesprochen. „Es war wirklich eine tolle Sache und eine ganz spezielle Erfahrung für mich, so früh in meiner Karriere eine WM in meinem Heimatland zu spielen“, so Jha. „Für mich ist ein Traum wahr geworden. Ich hätte niemals geglaubt, in diesem von den Asiaten und Europäern so dominierten Sport schon jetzt so weit zu kommen.“ Mit seinen Auftritten im Herren-Einzel zeigte er sich durchaus zufrieden, auch wenn er gerne noch eine Runde weiter gekommen wäre: „Im Einzelturnier habe ich gut gespielt und es war eine tolle Angelegenheit, überhaupt das Viertelfinale erreicht zu haben, dennoch war es auch enttäuschend, dass ich so nahe an einer Medaille war und das enge Match dann doch verloren habe, obwohl ich das Publikum voll hinter mir hatte.“ Woran es gelegen hat, erklärt der TTF-Profi so: „Timo Boll konnte in den engen Situationen sein Spiel noch variieren und ich hatte dann Probleme, mich darauf einzustellen. Doch der Lerneffekt war groß für mich und ich hoffe, in Zukunft bei Weltmeisterschaften Medaillen holen zu können.“
Simon Gauzy und Can Akkuzu mit Licht und Schatten
Doch das gesamte Weltturnier bestand ja nicht nur aus Kanak Jha. Zwei weitere TTF-Asse waren am Start und zogen sich eigentlich nicht schlecht aus der Affäre, konnten aber auch keine herausragenden Leistungen abrufen.
Simon Gauzy, am Dienstag weiterhin die Nummer 18 des Welttischtennis, hatte natürlich auch mindestens das Viertelfinale im Visier gehabt. Doch daraus wurde nichts, weil der an Position 14 gesetzte 27-jährige Franzose nach zwei guten Matches (4:1 gegen Horacio Cifuentes/Argentinien, 4:3 gegen den Ex-Ochsenhauser Joao Geraldo/Portugal) ausgerechnet gegen den kampfstarken Defensivspieler Wang Yang (Slowakei) einen kleinen Durchhänger hatte und nach sechs Sätzen seinem Gegner gratulieren musste, der früher in der Bundesliga für Frickenhausen aufgeschlagen hat. Zur nächsten Runde gegen Boll trat dann Wang gar nicht mehr an, da er wegen eines positiven Corona-Tests aus dem Turnier genommen wurde.
Auch der 24-jährige Can Akkuzu vertrat Frankreich und die TTF in Houston. Akkuzu, der sich in der neuesten Weltrangliste um zwei Plätze auf Rang 80 verbessert hat, sah sich in Runde eins mit dem Weltranglisten 148. Sami Kherouf aus Algerien konfrontiert, den er beim 4:1-Erfolg klar beherrschte. Allerdings traf er danach auf Ruwen Filus, der später recht souverän von Kanak Jha ausgeschaltet wurde, und zog ohne Satzgewinn den Kürzeren. Gegen Abwehr muss Akkuzu noch besser werden, doch das dürfte ihm in den nächsten Monaten auch gelingen. In Ochsenhausen sind die Voraussetzungen, an seinen Schwachpunkten zu arbeiten, fast perfekt.