TTF Liebherr Ochsenhausen – 1. FC Saarbrücken-TT 3:2

Die TTF müssen nicht nachsitzen, die TTF dürfen nachsitzen. “Wir sehen uns am Freitag zu einem großen Kampf”, hatte Simon Gauzy den Fans vor dem Halbfinal-Rückspiel der TTF Liebherr Ochsenhausen gegen den 1. FC Saarbrücken-TT, seines Zeichens Champions-League-Sieger, versprochen. Und er hat Wort gehalten, er, Alvaro Robles, Samuel Kulczycki und Can Akkuzu – alle vier verfügbaren Spieler kamen zum Einsatz und jeder hat in diesem Duell, das alle Superlative verdient hat, die einem einfallen, etwas zum knappen, aber hoch verdienten 3:2-Sieg der Oberschwaben beigetragen.

Ein grandioser Tischtennis-Abend

189 Minuten boten sie den Fans Tischtennis von Feinsten und in einer Dramatik, die ihresgleichen sucht. Ziel war es, das dritte Match gegen die Saarländer zu erzwingen und genau das gelang, folglich geht es nun am Sonntag um 15 Uhr in der Saarbrücker Joachim-Deckarm-Halle um die Wurst. Der Gewinner dieser Partie trifft am 9. Juli im Finale um die Deutsche Meisterschaft auf Rekordmeister Borussia Düsseldorf.

Jetzt sind die TTF heiß auf den Erfolg, sie haben heute unter Beweis gestellt, dass man Saarbrücken auch schlagen kann, wenn dessen Topstars Jorgic und Franziska an Bord sind. Wer sagt denn, dass dies nicht auch in der “Höhle des Löwen” wiederholbar ist. Es beginnt am Sonntag wieder bei Null und die Karten werden komplett neu gemischt.

Der Druck auf die Saarländer ist aber immens gewachsen. Sie haben heute Abend einen Eindruck davon erhalten, wie stark Ochsenhausen aufspielen kann, wenn alles passt. Viel stärker jedenfalls als im Hinspiel vor einer Woche, als Gauzy und Co. bei der 1:3-Niederlage schon nicht schlecht spielten, ihre Chancen aber nicht nutzen konnten. Aber was sie heute in der Dr.-Hans-Liebherr-Halle vor 350 begeisterten Fans aus sich herausholten, war grandios, in spielerischer und auch in kämpferischer Hinsicht.

Gewiss eines der besten Spiele in Ochsenhausen in den letzten Jahren. Und eines, das eigentlich gar nicht ins Schlussdoppel hätte gehen müssen, denn Alvaro Robles und Simon Gauzy waren ohne Frage auf Augenhöhe in den Fünfsatz-Matches gegen Patrick Franziska, konnten aber beide den Sack nicht zumachen. Doch es passte zur Dramaturgie dieses Abends, dass alles voll ausgekostet wurde und die Entscheidung erst im letzten überhaupt möglichen Satz fiel – und das nach 6:9-Rückstand mit 11:9 zugunsten von Alvaro Robles und Can Akkuzu in ihrem ersten gemeinsamen Pflichtspiel-Doppel überhaupt.

Leitwolf Gauzy lässt Jorgic alt aussehen, doch ein starker Robles verpasst das 2:0

Doch fangen wir ganz am Anfang an: Nicht sonderlich überraschend hatte TTF-Cheftrainer Fu Yong Leitwolf Simon Gauzy an Position eins aufgeboten. Und er musste gleich gegen Darko Jorgic in den Ring steigen, die aktuelle Nummer 13 der Welt, mit einer 15:3-Bilanz in der Bundesliga bisher bester Saarbrücker. Vereinspräsident Kristijan Pejinovic hatte vor der Partie festgestellt, dass es gegen den FCS nur klappen könne, wenn einer aus dem Duo Jorgic/Franziska geknackt würde. Gauzy schien sich diese Worte zu Herzen genommen zu haben. Und wie! Gegen den verdutzten Jorgic machte er eines seiner besten Spiele der letzten Jahre. 11:4, 11:9, 11:7 – ehe sich Saarbrückens Slowene eine andere Taktik ausdenken konnte, hatte er bereits verloren.

Und danach bot sich die große Chance für Alvaro Robles, gegen einen erkennbar beeindruckten Patrick Franziska nachzulegen. So stark hätte sich der Hesse in Diensten der Saarländer den TTF-Spanier wohl nicht vorgestellt. Lange war das zweite Match des Abends vollkommen offen, lange hatte man am Rande der Box und auf den Rängen keinen Schimmer, wer als Sieger vom Tisch gehen würde. Nach einem 11:9 im Auftaktsatz, verlor Robles die Durchgänge zwei und drei mit 9:11 und 10:12 denkbar knapp, um dann mit 11:8 im vierten Satz zu egalisieren. Schließlich zog er im längsten Match des Abends, das die Fans 42 Minuten in Atem hielt, doch noch den Kürzeren. 11:7 hieß es im Entscheidungssatz zugunsten Franziskas. Statt 2:0 also 1:1 – alles schien wieder völlig offen.

Kulczycki in Galaform, Gauzy kann Sack nicht zumachen

Fest entschlossen, den Zeiger wieder auf Vorteil für sein Team zu stellen, ging nach der Pause Ochsenhausens jüngster Spieler, Samuel Kulczycki, in die Box. Und was er dann mit dem erfahrenen tschechischen Nationalspieler Tomas Polansky machte, war absolut sehenswert und fast schon brutal. Lassen wir das Ergebnis für sich sprechen: 11:6, 11:3, 11:1!

2:1 für Ochsenhausen. Würde nun Simon Gauzy noch einen draufsetzen und den eigentlich in der Luft liegenden Sieg in trockene Tücher packen? Doch dazu musste endlich einmal Patrick Franziska in die Schranken gewiesen werden, der zwar in der Punktrunde nicht ganz so gut abgeschnitten hatte wie Jorgic, jedoch bekannt dafür ist, in schweren Spielen, wenn seine Mannschaft unter Druck steht, besonders stark zu spielen – und der vor einigen Wochen so auch den FCS fast im Alleingang zum Gewinn der europäischen Königsklasse geführt hatte. In Saarbrücken war der Franzose lange auf Augenhöhe gewesen, hatte dann noch im fünften Satz mit 4:3 geführt und nach einem Time-out Franziskas keinen Punkt mehr gemacht. Das wollte der Ochsenhauser diesmal besser machen. Doch am Ende verlief das Match gar nicht so viel anders. Zweimal führte Franziska nach Sätzen, zweimal glich Gauzy aus. Doch im Entscheidungsdurchgang war der Gäste-Spieler wieder relativ deutlich vorne, diesmal mit 11:6. Das Wahnsinnsspiel gegen Jorgic hatte Gauzy doch Kräfte gekostet, was sich in der Schlussphase gegen den deutschen Nationalspieler bemerkbar machte.

Alles oder nichts? Doppel-Thriller beendet Play-off-Krimi

2:2 – es ging ins Doppel, und da galt die Devise alles oder nichts. Zunächst sah es eher nach nichts aus bei der Doppel-Premiere von Alvaro Robles und Can Akkuzu. Doch das Ende zählt, nicht der Beginn.

Auch der Gegner warf einen Spieler in die Schlacht, der bis dahin zugeschaut hatte, nämlich den belgischen Linkshänder Cedric Nuytinck, der zwar im Hinspiel kein Land gegen Alvaro Robles gesehen hatte, aber als ausgesprochen starker Doppel-Spieler gilt. Man muss dazu sagen, dass Nuytinck in dieser Saison fünf Schlussdoppel gespielt hatte (Bilanz 5:0!), nur halt noch nicht gemeinsam mit Jorgic. Dass Nuytinck auch mit dem kampfstarken Weltklassespieler aus Slowenien ein gefährliches Duo bilden würde, war jedem klar.

Doch auch Alvaro Robles gilt allgemein als Doppel-Spezialist. Prognosen fielen also schwer, auch wenn viele die beiden Saarbrücker leicht im Vorteil sahen.

5:11 und 7:11 hieß es nach zwei Sätzen. Jorgic/Nuytinck schienen doch übermächtig zu sein. Doch so einfach wollten sich die beiden Ochsenhauser nicht in ihr Schicksal fügen. Sie erhöhten die Schlagzahl und wurden sicherer – und mit einem Mal zeigten die Saarbrücker Nerven. Mit 11:7 und 11:4 waren nun Robles/Akkuzu am Drücker und glichen aus.

Doch im Entscheidungssatz setzten sich wieder ihre Gegner gut in Szene und schienen alles im Griff zu haben. Bei einer 9:6-Führung waren sie nur noch zwei Bälle vom Finaleinzug ihres Teams entfernt, es wäre der fünfte in Folge gewesen. Doch unter ohrenbetäubender Anfeuerung der Fans arbeiteten sich die beiden Ochsenhauser Punkt um Punkt heran und machten keinen Fehler mehr. 11:9, der Jubel war unbeschreiblich und der Sieg am Ende zwar knapp, aber doch hochverdient, wie auch die Saarbrücker einräumten.

13:8 Sätze, 202:172 Bälle, die TTF waren an diesem grandiosen Frühlingsabend in Ochsenhausen einfach das bessere Team. Und nun wissen sie, dass etwas Großes möglich ist, und wollen am Sonntag im Saarland erneut die bessere Mannschaft sein. Womöglich werden Nuancen darüber entscheiden, wer am Ende das Finalticket löst. Die TTF wollen und werden jedenfalls alles versuchen.

Außer Atem und sprachlos” / “Sehr stolz, egal, was am Sonntag passiert” – Ochsenhauser Stimmen zum Play-off-Krimi

“Ich bin noch etwas außer Atem und sprachlos”, gestand ein mehr als beeindruckter Kristijan Pejinovic Minuten nach nach dem Tischtennis-Krimi ein. “Wir haben es mehr als verdient, jetzt noch ein drittes Spiel herbeizuholen. Das war mein Wunsch und er wurde somit erfüllt. Ich danke den Spielern dafür, dass sie sich so reingehängt und sich nie aufgegeben haben, auch im Doppel nicht, als wir 0:2 hinten waren. Das war phänomenal! Ich war erstaunt, dass wir zweimal ein 3:0 hatten, von Simon gegen Jorgic und Samuel gegen Polansky. Die anderen beiden Spiele knapp gegen uns – es ist schon unglaublich, was Franziska immer noch rausholt, wenn es in die entscheidende Phase geht. Aber nochmal: Es war eng, aber die Sätze zeigen auch, dass wir es verdient hatten.”

Der TTF-Präsident führte weiter aus: “Jeder hat etwas beigesteuert. Ich bin sehr stolz auf das Team, jetzt schon, egal was am Sonntag passiert. Ich bin auch stolz darauf, dass wir eine solche Reise zurücklegen konnten bei all den Widrigkeiten in dieser gewiss nicht leichten Saison, in der uns Togami und Kanak längst nicht mehr zur Verfügung stehen. Mein vollster Respekt gilt dem verbliebenen Team, was die Spieler aus sich herausholen, ist beeindruckend. Ich freue mich auf den finalen Showdown am Sonntag, aber das war heute schon ein ganz großes Highlight auf absolutem Play-off-Niveau. Heute ist ein Strahl durchgegangen und die Zuschauer standen Kopf. Danke auch an sie für den tollen Support, den wir so sehr gebraucht haben!”.

Die Anspannung und zugleich das Glücksgefühl standen Alvaro Robles noch ins Gesicht geschrieben, als er nach dem Spiel zum Interview erschien und ein wenig ungläubig sagte: „Ich hätte nie gedacht, dass wir das Spiel auf diese Art und Weise beenden.“

Doch beendet ist eben noch nichts, jetzt geht es erst richtig los.

DAS SPIEL IM ÜBERBLICK

TTF Liebherr Ochsenhausen – 1. FC Saarbrücken-TT 3:2

Simon Gauzy – Darko Jorgic 3:0 (11:4, 11:9, 11:7)

Alvaro Robles – Patrick Franziska 2:3 (11:9, 9:11, 10:12, 11:8, 7:11)

Samuel Kulczycki – Tomas Polansky 3:0 (11:6, 11:3, 11:1)

Simon Gauzy – Patrick Franziska 2:3 (9:11, 11:7, 6:11, 11:9, 6:11)

Can Akkuzu/Alvaro Robles – Cedric Nuytinck/Darko Jorgic 3:2 (5:11, 7:11, 11:7, 11:4, 11:9)