Die zurückliegende Saison 2022/23 lief für die TTF Liebherr Ochsenhausen alles andere als schlecht. Mit dem Einzug in die Meisterschafts-Play-offs sowie in das Liebherr Final Four wurden die Saisonziele erreicht. Nun gelang es, mit der Rückkehr von Hugo Calderano einen Königstransfer für die kommende Spielzeit zu bewerkstelligen. Dementsprechend steigen natürlich auch die Erwartungen. Wir führten mit TTF-Präsident Kristijan Pejinovic ein detailliertes Gespräch über das, was hinter uns liegt, und die aktuellen Perspektiven.

1. Sind Sie mit dem Verlauf der Saison zufrieden, Herr Pejinovic? Schließlich wurden die Saisonziele Liebherr Final Four und Meisterschafts-Play-offs erreicht, eigentlich sogar recht souverän.

„Wir sind absolut zufrieden mit dem Saisonverlauf. In Anbetracht der gesamten Umstände haben wir eine super Saison hingelegt. Die Jungs sind zu einem echten Team herangewachsen. Die Play-offs wurden erreicht und das Liebherr Final Four ebenso. In den Play-offs haben wir dem Gegner Saarbrücken einen harten Kampf geliefert und ihn ins dritte Spiel gezwungen und gezeigt, dass wir auch gegen solche Gegner, trotz des Fehlens von Togami und Kanak, nicht chancenlos sind. Und im Liebherr Final Four haben wir trotz des 0:3 gegen Neu-Ulm einen extrem stark besetzten Gegner immerhin ins Wanken gebracht. Wir haben einen wichtigen Schritt in der zurückliegenden Saison gemacht und bereiten einen hoffentlich noch größeren Schritt für die neue Saison vor.“

2. Ist dann am Ende aber vielleicht doch eine gewisse Enttäuschung vorhanden, da man ja, wenn man schon so dicht dran ist, sicher auch noch einen Schritt weitergehen möchte?

„Klar, ein Quäntchen Enttäuschung ist letztendlich immer mit dabei, aber das hatte nicht damit zu tun, dass wir damit gerechnet hätten, in Meisterschaft und Pokal ins Finale reinzurutschen, da sind wir Realist genug. Doch wir wissen, dass jeder Tag seine neuen Möglichkeiten, Herausforderungen und Chancen bringt, Stichwort Tagesform, aber wenn man aufs Papier geschaut hat, waren wir definitiv keine Favoriten. Mit dem Abstand, den wir inzwischen haben, stellen wir fest, dass es eine super Saisonleistung von uns war.“

3. Hat der Ausfall von Kanak Jha, der ja sehr gut gestartet war, den Verlauf der Saison für die TTF negativ beeinflusst? Weshalb hat er keine neue Chance erhalten, seinen Fehler wieder gutzumachen? Hätte man bei der Qualität der neuen Mannschaft nicht bis zum Ablauf der Sperre warten und ihn dann schrittweise wieder heranführen können?

„Aufgrund des olympischen Jahres sitzen die Spieler wirklich auf heißen Kohlen. Schon zu Anfang des Jahres kamen Spieler auf mich zu und fragten, wie die neue Besetzung aussehen würde. Zumal damals noch im Unklaren war, ob Kanak bleibt oder nicht. Also mussten wir uns nach Optionen umschauen und den Spielern mitgeben, dass wir uns darum kümmern. Deswegen mussten wir Plan B fahren. Anfang April kam dann der Bescheid über seine Sperre. Es hatte wenig Sinn, mit ihm zu planen, da er ja in vielem wieder von vorne anfangen muss. Er muss seine Weltranglistenpunkte wieder aufpäppeln und viele Qualis auf Turnieren spielen für die Teilnahme an Olympia. Die Frage stellte sich, wie viele Spiele er dann überhaupt für den Verein bestreiten könnte. Zumal der Anfang der Runde sehr wichtig ist. Bis Dezember diesen Spieler nicht einsetzen zu können, wäre zu riskant gewesen. Deshalb mussten wir uns schweren Herzens trennen. Wir haben uns einvernehmlich getrennt und sind auseinandergegangen, in dem Wissen um seine Qualitäten und sein Können und dass man sich immer mindestens zweimal im Leben trifft. Wir waren aber gezwungen, erst einmal einen Cut zu machen.“

4. Weshalb kam es nicht zu mehr Einsätzen von Shunsuke Togami, der ja gezeigt hat, dass er in der Bundesliga auf Topniveau spielen kann? Wäre er nicht gerade angesichts des Ausfalls von Kanak Jha ein wichtiger Mann für die Play-offs gewesen?

„Natürlich hat das Fehlen von Kanak, aber auch das von Togami in der entscheidenden Saisonphase das Geschehen beeinflusst. Das von Kanak recht früh, was natürlich nicht geplant und sehr schmerzhaft war. Wir mussten uns letztlich dann mit einem Vierer-Kader den Herausforderungen stellen anstatt mit einem Sechser- oder sagen wir Fünfeinhalber-Kader. Wir mussten dann reagieren und konnten nicht mehr agieren. Bei dem einen oder anderen Spiel in der Rückrunde war es dann ja auch personell sehr, sehr eng. Togamis Ausfall kam ja nur aufgrund der etwas merkwürdig gelaufenen Verlegung des WTT-Turniers in China zustande. So hätte er am Ende noch gegen Saarbrücken spielen müssen, ein Spiel, das er hätte mitnehmen müssen, um auf die für die Play-off-Teilnahme erforderlichen zwei Rückrundenspiele zu kommen, doch es ging definitiv nicht bei ihm, auch wenn er wirklich alles versucht hat. Das tat dann schon weh, gerade aufgrund der für uns unglücklichen Umstände. Allerdings war von vorneherein geplant gewesen, dass Togami nur ein paar Einsätze macht und in die Bundesliga hineinschnuppert, dennoch hätte er halt schon sehr, sehr gerne in den Play-offs gespielt.“

5. Haben die letzten Monate auch Ihrer Sicht gezeigt, dass es nicht nur richtig, sondern geradezu unabdingbar war, mit sechs Spielern in die Saison zu gehen?

„Auf jeden Fall ja, da ja leider zwei Spieler wegbrachen, der eine sehr früh, der andere später. Wir mussten dann die Last auf vier Schultern verteilen und es war personell oft sehr eng, doch alle sind angesichts der schwierigen Lage nochmals einen Tick enger zusammengerückt und haben es gut gemeistert. Man kann sich ausrechnen, wie schwer es bei Verletzungen oder Erkrankungen von Spielern, die wir ja letzte Saison gar nicht hatten, wird, wenn man nur mit vier oder fünf Akteuren in die Saison geht. Deshalb ist es unabdingbar geworden, mit sechs Spielern zu planen. Eigentlich bin ich kein großer Fan davon, es bedeutet erhebliche Mehrarbeit im Management im Vergleich zu früher, als man vier oder fünf Spieler im Kader hatte. Wir sehen nun angesichts der erheblich gestiegenen internationalen Anforderungen, dass allgemein die Belastungen und die Verletzungsanfälligkeit der Spieler zunimmt. Zudem bleiben die dringend nötigen Ruhephasen zunehmend aus, sodass man letztlich gar keine andere Wahl hat und rotieren können muss.“

6. Welcher TTF-Spieler hat Sie im Saisonverlauf am meisten überrascht oder beeindruckt?

„Unser Neuzugang Alvaro Robles hat mich eigentlich am meisten überrascht, der natürlich von Anfang an integriert war und tolle Spiele abgeliefert hat. Er ist im Lauf der Saison immer besser geworden und hat allen Zweiflern bewiesen, dass er eben nicht nur ein super Doppelspieler ist, sondern auch im Einzel für fast alle Gegner gefährlich ist. Am Anfang hat mich auch Kanak Jha beeindruckt, der furios losgelegt hat und mit weißer Weste dastand, bis es zu der Sperre kam. Alles in allem war es aber unser Team, das überzeugt hat. Es nützt am Ende wenig, einzelne Namen herauszupicken, wenn das Team nicht gut harmoniert und nicht an den Aufgaben wächst. Die wichtigen Erfolge erzielt man letztlich nur über das Team, nicht über herausragende Einzelspieler. Ich bin sehr zufrieden mit dem, was wir als gut harmonierende Mannschaft geleistet haben.“

7. Wie kam es zur Rückkehr von Hugo Calderano, der sicher viele gute Angebote hatte? Sind der Verein und er immer im Gespräch geblieben oder hat sich das überraschend ergeben?

„Mit Hugo waren wir ja immer im Austausch, zumal er oft hier vor Ort im Training war. Er war ja nie gänzlich weg, das haben viele nur nicht richtig verstanden. Er war lediglich nicht mehr für den Verein aktiv. In einem kurzen Gespräch hat sich dann ergeben, dass eine Möglichkeit besteht, auch wieder im Verein zusammenzukommen. Sein Hauptaugenmerk lag natürlich darauf, dass er weniger reisen möchte und die Olympischen Spiele eben in Europa stattfinden. Er konnte es sich gut vorstellen, bei uns in Ochsenhausen, wo er so viele Trainingseinheiten absolviert hatte, einen Ruhepol zu finden. Somit hat sich für uns die Tür einen Spalt geöffnet. Wir waren seit Anfang des Jahres im Gespräch und die Lösung hat sich dann relativ schnell ergeben. Darüber sind wir natürlich sehr froh.“

8. Wie oft kann er voraussichtlich zur Verfügung stehen, schließlich handelt es sich um eine Olympia-Saison?

„Wir werden sehen, wie häufig er im Endeffekt zur Verfügung stehen wird. Aber wird haben ihn ja nicht als Galionsfigur geholt. Dann hätten wir ihn auch damals behalten können. Doch da wussten wir, dass die Zielsetzungen im Umfeld sehr hoch angesetzt worden wären, wenn er auf der Liste gestanden hätte, und dann hätte er vielleicht nur drei- oder viermal spielen können. Diesmal verhält es sich anders. Er wird ganz sicher nicht alle Spiele bestreiten können, das wäre unmöglich. Wir schauen mal, wie viele es sein werden. Ich kann aber versprechen, dass wir ihn öfters im TTF-Dress sehen werden und darauf können wir uns alle freuen.“

9. Was bedeutet das für die Qualität der Mannschaft, nun wieder einen Hugo Calderano dabei zu haben?

„Mit einem Hugo Calderano hat man, wie gerade erwähnt, natürlich auch andere Ansprüche. Natürlich möchten wir mit ihm nochmal einen Gang höher schalten und oben mitmischen. Dass Hugo dabei sein wird, ist nicht nur eine Entlastung, sondern ein Ansporn für die gesamte Mannschaft, noch mehr zu bewegen als in der vergangenen Saison.“

10. Wird Hugo der neue Leitwolf sein oder bleibt das angesichts seiner großen Erfahrung Simon Gauzy? Oder wird es so etwas gar nicht geben, ist einfach von Fall zu Fall derjenige Spieler der „Leader“, der gerade gut drauf ist und die anderen mitreißen kann?

„Ich möchte bei der Personalie Hugo Calderano gar nicht von Leitwolf oder Leader sprechen. Wir wissen alle, die Saison wird lang und aufgrund der vielen anderen Wettbewerbe plus Olympia wird man sowieso immer schauen müssen, welche personelle Perspektive für das Team an welchem Spieltag möglich ist und welche Konstellationen sich ergeben. Man weiß ja zum Beispiel noch gar nicht, wie oft ein Gauzy zusammen mit einem Calderano im Team steht. Für mich fühlt sich das Ganze an wie eine Familienzusammenkunft, da man sich ja schon so lange kennt. Man könnte auch von einer Wiedervereinigung sprechen. Jeder kennt jeden, jeder weiß, was er einbringen kann, jeder kennt die Stärken und natürlich auch die Schwächen des anderen. Es zeichnet ein gutes Team dann aus, dass jeder auch dem anderen hilft, wenn es nötig ist. Das Team als solches muss sich leiten und führen können – das kann eine Personalie alleine nicht bewirken.“

11. Was ist von Hayate Suzuki in seiner ersten Saison bei den TTF zu erwarten, der ja noch ein sehr junger Spieler ist und sich sicher erst noch an die raue Luft in der TTBL gewöhnen muss?

„Bei Hayate muss man einfach mal abwarten. Wir wissen von vielen Spielern, die in ihrer ersten TTBL-Saison Schwierigkeiten hatten. Unerfahrenheit, Nervosität, Druck, Verantwortung sind da alles Faktoren, die eine Rolle spielen können. Auch ein Togami hat in seinen ersten Spielen sehr kämpfen müssen und auch hier und da Federn lassen müssen. Ich erinnere mich noch an das Match gegen Deni Kozul, wo er 0:2 hinten lag, es dann aber noch drehen konnte, aber auch an das Spiel gegen Wang Xi, das er nicht gewinnen konnte. Man muss Hayate die Gelegenheit geben, sich hineinzufinden, wie wir es seit vielen Jahren mit jungen Spielern handhaben. Wir werden ihn nicht unter Druck setzen.“

12. Wie ist der neue Kader insgesamt einzuschätzen und definieren sich aus dieser Qualität neue Saisonziele? Bisher hieß es ja immer „nur“ ins Liebherr Final Four und in die Play-offs zu kommen.

„Die neuen Ziele werden wir zur neuen Saison definieren und die Ansprüche gleichermaßen, das ist im Moment noch nicht akut. Wir werden uns dann mit dem Team zusammensetzen und alles mit der Realität, nämlich dem Rahmenterminplan, in Einklang zu bringen versuchen. Man muss schauen, was dann alles zu welchem Zeitpunkt auf uns zukommt und welche Spieler jeweils zur Verfügung stehen. Mit dieser Realität müssen wird die Wünsche und Visionen des Vereins und der Spieler ins Gleichgewicht bringen. Da muss dann ein gemeinsamer Nenner gefunden werden. Aber ganz klar: Wenn man einen Hugo Calderano mit an Bord hat, möchte man natürlich einen Ticken mehr erreichen als zuletzt. Und es ist ja auch unser Auftrag, uns von Jahr zu Jahr zu steigern. Und da sehe ich schon eine große Chance.“

Vielen Dank für die interessanten Antworten, Herr Pejinovic. Uns bleibt nur, den TTF viel Glück und Erfolg für die neuen Herausforderungen in der Saison 2023/24 zu wünschen!